DIGITALISIERUNG

Dezember 2021                                     ©Texte und Foto Damian Bugmann 2021

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Scheinheiligkeit und Scheinfreiwilligkeit

Analoge Impf- und Reisepässe gehörten der Vergangenheit an, deklariert die Organi-
sation Alliance ID2020 aus New York. Sie arbeitet an einer einheitlichen transnationalen digitalen Identität, bei der alle Informationen über jeden Menschen zusammenfliessen sollen.

Ausbildungs- und Impfnachweise, Finanzstatus, Konten von Netzwerken wie Twitter oder Facebook bis zu den vom Smartphone produzierten Daten sollen auf der E-ID (Elektronische Identität)-Karte gespeichert werden. ID2020 will sich laut ihrer Webseite «für eine ethische und die Privatsphäre schützende Digitale Identität» einsetzen. Microsoft, die GAVI-Impfstoff-Allianz, die Rockefeller Foundation sowie das International Rescue Committee (IRC), Hilfsorganisation für Flüchtlinge und Kriegsopfer, unterstützen ID2020. Kooperationspartner sind die US-Regie-rung, die EU-Kommission und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

Illusion von Selbstbestimmung
Laut dem erklärten Willen dieser Organisationen sollen sich alle Menschen möglichst bald auf dem Planeten mit Gesichtserkennung, Iris und Fingerabdruck ausweisen können. Dabei wer-
den nicht nur Ethik und Datenschutz behauptet, sondern auch Selbstbestimmung und Selbst-
verwaltung der Daten («Self-sovereign identity») sowie Identität scheinheilig als Menschen-
recht propagiert. Die Daten sollen auf einer Blockchain gespeichert werden, einer Art digitalem Kontobuch, das Daten auf zahllosen Servern weltweit verschlüsselt abspeichert.

Impfkampagnen fördern digitale Identität
Reisende, Bankkund*innen oder Mieter*innen sollen in Zukunft ihre biometrischenDaten und persönlichen Informationen wie bereits getätigte Auslandsreisen, Kreditkartennutzung oder
den Wohnort per Smartphone-App zur Verfügung stellen. Impfkampagnen werden bereits dazu genutzt, um die digitale Identität aufzubauen. In vielen Dritte-Welt-Ländern hat die Mehrheit
der Kinder keine Geburtsurkunde, aber fast alle werden geimpft. Und Big Brother liest mit: Die US-Sicherheitsbehörden haben Zugriff auf die Daten auf Servern von US-Unternehmen, die
bei der Schaffungder digitalen Pässe federführend sind.

Daten können nicht gelöscht werden
Tom Fisher, Datenschutzaktivist der Organisation Privacy International, warnt: «Völlig ausge-blendet wird das Machtgefälle bei fast jeder Identitätsprüfung.» Die Freiwilligkeit der Preisgabe von Daten sei nicht gegeben: «Will mein Arbeitgeber ein Dokument von mir, ein Grenzbeamter oder mein Vermieter - dann kann ich wohl kaum ‹nein› sagen.» Die Pläne der ID2020 sind klar nicht kompatibel mit den geltenden europäischen Datenschutzgesetzen: Persönliche Daten können auf einer Blockchain nicht gelöscht werden, sobald der Zweck ihrer Erhebung entfällt oder Betroffene ihre Zustimmung widerrufen, weil dort alle Einträge aufeinander aufbauen und auf unzähligen Servern gespeichert sind.

High-Tech-Swiss-Pass der SBB
Obwohl das Stimmvolk in der Schweiz im Frühling 2021 eine durch Unternehmen herausge-gebene Elektronische Identität (E-ID) deutlich verworfen hat, wollen die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ihren Swiss Pass für Generalabonnement und Halbtax zur E-ID-Karte ausbauen. Die neue High-Tech-Karte soll Funktionen übernehmen als Schlüssel für physische Türen, als Login für Geräte, Online-Dienstleistungen und soziale Plattformen sowie als kon-taktlose Bezahlkarte. «Es handelt sich dabei um eine schleichende und unkontrollierte Ein-führung einer elektronischen Identität (E-ID)», warnte die Stiftung für Konsumentenschutz Schweiz Ende November 2021 per Medienmitteilung.

Bereits im Vorfeld der Abstimmung zum im März 2021 verworfenen E-ID-Gesetz hatte der Kon-sumentenschutz auf diese Hintertüre hingewiesen. «Weder gibt es rechtliche Grundlagen, noch steht der Schutz der Privatsphäre der Nutzer*innen bei der Betreiberin im Vordergrund. Der Eidgenössische Datenschützer (EDÖB) wurde nicht konsultiert und erfuhr erst durch unsere Medienmitteilung vom Vorhaben.» Der Konsumentenschutz verlangte Korrekturen, bevor die Karten an die Nutzer*innen abgegeben werden. «Die Nutzer*innen sollen im persönlichen Konto unter anderem die Möglichkeit haben, die Funktionen auszuschalten», forderte Sara Stalder Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz.


Sonderbehandlung

Ausweiskontrolle! Ihre Elektronische Identität bitte!

Danke.

Das sieht nicht gut aus. Es fehlen hier zwei Impfungen und der letzte Terrorismus-Hirnscan.

Das kommt Sie teuer zu stehen und bringt Ihnen eine zweitägige Sonderbehandlung ein, in der über weitere Voll-zugsmassnahmen entschieden wird.

Sie gehen jetzt unverzüglich nach Hause in die Quaran-täne. Sie werden in den nächsten vierundzwanzig Stunden von der zuständigen Stelle kontaktiert.

Der nächste!



Digitales Zeitalter

Kontoauszug der Bank:

- Busse Rotlicht missachtet: minus Fr. 400

- Busse Ladendiebstahl Lolly: minus Fr. 200

- Busse Teilnahme an verbotener Demonstration: minus Fr. 600

- Busse wiederholter coronakritischer Fb-Post: minus Fr. 1000

Ihr Kreditlimit wurde über-schritten.

Massnahmen: Kontosperrung und Arbeitseinsatz.

©Texte Damian Bugmann 2021

Aus:
Damian Bugmann, Furcht und Elend, Gedichte, Geschichten, Kurzprosa, Lux&Bär 2021

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