FILM+TV

image-10354013-11_Godzilla-1__Kopie-c51ce.w640.JPG
TV-Screenshots «Godzilla 2014».      Fotos: Damian Bugmann
image-10354019-11_Godzilla-2_Kopie-c51ce.w640.JPG


Pariarchaler Kitsch

Trotz theoretischer Gleichstellung und gesetzlichem Diskriminierungsschutz sind Fernsehen und Blockbuster-Filme immer noch gut bestückt mit sexistischen,
homo- und transphoben Inhalten. Auch chauvinistische, imperialistische und antikommunistische Mythen und Überzeugungen sind darin noch weit verbreitet.

«Büezerbueb» Gölä, der sich laut eigener Aussage mehr als Unternehmer denn als Musiker versteht, gibt sich in der SRF-Talentshow «Voice of Switzerland» als ein von Testosteron und Adrenalin überschäumender Macho im Büezeroverall. Ein Beispiel, das sich in Variationen wiederholt: Nachdem eine junge Kandidatin mit AC-DC-Mütze hinreissend einen Rock’n’Roll hingelegt hatte, sprang der rechtsbürgerliche Kitschrocker auf und überschlug sich vor Be-geisterung. Jedes dritte Wort seines euphorischen Feedbacks war «geil», «Schnäbi» oder «Hoden». Ohne Bedenken überliessen die übrigen Coaches die junge Frau diesem Mannsbild. Vielleicht gibt es in zwanzig Jahren Klagen wegen sexueller Belästigung - es gilt die Unschuldsvermutung.

Homophobe Reflexe
Von extremen Ausnahmen abgesehen sind verbale oder handfeste sexuelle Belästigung in neueren Fernsehshows, Spiel- und Dokumentarfilmen seltener geworden, bis in die Neunziger Jahre hinein waren die Medien ziemlich voll davon. Mit dem fortschreitenden Einsickern femi-nistischer Diskurse treten Filmmachos vorsichtiger auf und einzelne Frauen dürfen in Serien

und Filmen auch mithauen, -stechen, -schiessen und -bomben. Ist der männliche Superheld verliebt, wird die Auserwählte geschützt und von den gefährlichsten Aktionen ferngehalten. Manchmal stehen Frauen auch als Superwoman oder Charlie’s Angels im Vordergrund - weil
der Markt danach verlangt. Diskriminierende Darstellungen von Schwulen, homophobe Reflexe und homophobe Distanzierungen von hetero- und transsexuellen Figuren (und ihrer Regisseure) gehören immer noch zum guten Ton. Sie rufen bei den heteronormativen Figuren Ekel- und Speireflexe hervor, als sei ihnen das «falsche» Geschlechtsorgan in den Mund geraten.

Sexarbeiterin oder Ehefrau
Als kleine Betrüger und Pferdediebe signalisieren Bud Spencer und Terence Hill in ihren immer noch viel ausgestrahlten Italowestern der Siebziger und Achtziger, dass sie ganz sicher keine Gegner des kapitalistischen Wettbewerbs und deshalb vor allem auf Geld aus sind - aber cool, witzig und hart im Austeilen. Der Grossteil der Filmfiguren sind weisse Männer mit unterschied-lichem, differenziertem Profil. Die wenigen Frauenfiguren sind meist in der Geschlechter-rolle
als Sexarbeiterin oder Ehefrau und eher konturlos und dekorativ. Brutalen Killern, die gegen
sie auftreten, reissen die beiden Protagonisten ohne Umschweife die Kleider vom Leib, dann rennen diese, als Schwuchteln enttarnt, in ihrer rosa Unterwäsche jammernd und heulend da-von. Mexikaner werden dargestellt als dumm, arbeitsscheu, disziplinlos und oft vom Alkohol abhängig, Banditen und ihre Anführer als dumm und brutal. Mexikanische Ehefrauen sind abwesend oder stumm dienend am Herd und in der Waschküche und werden vom grossen
Bud herablassend als Waschweiber bezeichnet. Indianerfiguren sind im Klischee kindisch und emotional, werden als Menschen und Krieger nicht ernst genommen, ganze Horden wer-
den von Spencer allein locker in die Flucht geschlagen.

Westalliierte Draufgänger
Interessant auch ein Blick auf den Hollywood-Streifen «Force 10 From Navarone» von 1978, frei nach dem Spielfilm «The Guns of Navarone» von 1961, der im Zweiten Weltkrieg in Griechen-land spielt. Das Remake zeigt Widerstandskämpfer in Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg. Die Nazis können am Überqueren der Brücke über den breiten Fluss mit Artilleriefeuer und An-schlägen gehindert werden. Da der bisherige Widerstand sehr verlustreich gewesen ist, wagt
es der Kommandant der kommunistischen Partisanen nicht, die von den Deutschen schwer bewachte und gesicherte Brücke zerstören zu lassen. Zwei britische und zwei US-amerikanische Offiziere (einer davon der junge Harrison Ford), Spezialisten, Draufgänger mit lebendigem Profil, kommen da gerade recht und wagen das Unmögliche. Trotz Verbot des Kommandanten schleichen sie
ab, um die Brücke clever und dramatisch zu zerlegen, was ihnen natürlich gelingt.

Kitschige Heldentat
Die Yugoslawen kommen in diesem Film schlecht weg: Die Partisanen sind Dutzendgesichter, Frauen fehlen weitgehend. Der Kommandant scheut das Risiko, sein erster Offizier erweist sich bald als deutscher Spion, den die Westler umlegen, bevor er noch mehr Unheil anrichten kann. Der afroamerikanische Sergeant ist ungeschickt, zögerlich und defensiv. Im Zweikampf mit einem Tschetnik-Hauptmann wächst er über sich hinaus und bringt den Goliath nach einem schlimmen Kampf um. Diese kitschige Heldentat verdankt er der Tatsache, dass er auf der Seite der Guten steht. Die Message dieser Fiktion des Zweiten Weltkriegs ist die Geschichtsfälschung, dass die Nazis auch in Yugoslawien vor allem dank der Entschlusskraft und Risikobereitschaft der Amis und Briten besiegt worden seien. Die wichtige Rolle der Sowjetunion wird unter den Teppich gekehrt. Den yugoslawischen Kommunisten traut man wie den sowjetischen - ausser allfälligen Grausamkeiten - nicht viel zu.

Die Feinde des Imperiums in anderen Hollywood-Blockbusters sind oft verschlagene KGB- oder DDR-Spione. Nach 1990 kommen viele Superböse sehr germanisch wie Nazis daher, manchmal gleichzeitig als ehemalige Angestellte einer DDR-Botschaft, die ihre «dunkle» Vergangenheit als Gangster und Massenmörder scheinbar nahtlos fortsetzen.

Mystifizierter Weg des Kriegs
In Hollywood wird oft die Heilsamkeit des Kriegs für Individuum und Gemeinschaft verherrlicht und gepredigt und Krieg geführt zum Schutz der angeblichen bürgerlichen Idylle und der Unternehmer*innen-Freiheit im US/Nato-Imperium. Die Widersacher der bürgerlichen Halsabschneider werden zu übermächtigen Monstern stilisiert. «Cowboys und Aliens» (2011) zeigt US-Siedler in Arizona Ende des 19. Jahrhunderts. Viele Bewohner*innen des Städtchens werden von Aliens entführt und beschossen, welche die Erde exzessiv ausbeuten wollen und die entführten Menschen als Energiequellen benutzen. Angesicht der drohenden Zerstörung der Menschheit tun sich Jake (007 Daniel Craig) und seine Banditen, Dorfbonze Colonel Dolarhyde (Harrison Ford) und lokale Indianer zusammen, um die Gefahr heldenhaft trotz der technischen und waffenmässigen Überlegenheit der blutsaugenden Monster abzuwenden.

Wieder auf der Abschussliste
Alle Diskriminierungen und Interessenkämpfe sind vergessen, die Konflikte werden nach aussen projiziert und gierig der Weg des Kriegs beschritten. Die vereinigten «Guten» haben Kultur, Humor, Intelligenz, Mut, Herz, Durchhaltevermögen, Gefühl und Mitgefühl (für ihresgleichen). Den «Bösen» bleiben nur Hinterlist, Hass, Rücksichtslosigkeit und blinde Zerstörungswut. Natürlich siegt nach zähen, verlustreichen Kämpfen «das Gute», alle Aliens und ihre Infrastruktur werden pulverisiert. Die bürgerliche Idylle ist wiederhergestellt, der Colonel macht weiter dicke Geschäfte auf Kosten der anderen, «Kriminelle» und Indianer sind wieder auf der Abschussliste.

Massaker an Osteuropäern
Das Fremde ist lästig und wird in der Propaganda, in der patriarchalen Mythenfälschung, mass-los überhöht, um die Legitimität zu haben, es ausmerzen zu können. Die Wirklichkeit im Wilden Westen sah wohl nicht aus wie in «Cowboys und Aliens», sondern wie in der Verfilmung des «Johnson County War» 1890 in Wyoming von Michael Cimino in «Heaven’s Gate» (1980), mit Kris Kristofferson, Isabelle Huppert, Christopher Walken und Jeff Bridges. Darin werben reiche Rancher ruchlose Killer an, um 125 arme Einwanderer*innen aus Osteuropa zu massakrieren, die sie als «Diebe und Anarchisten» bezeichnen, weil sie ihren Profitplänen im Weg sind und ihnen aus Hunger Kälber stehlen und braten. Die Armen wehren sich verzweifelt mit der Unterstützung von Schiessprofis. In der konservativen Reagan-Aera wurde der Film zum kommerziellen Flop und erntete nur in Europa Beachtung, Respekt und Lob.

Blut- und Drecklöcher
«Godzilla» 2014 ist ein typisches Epos aus der Hollywood-Küche. Lieutenant Brody, Familienvater, Held und Hansdampf in allen Blut- und Drecklöchern und das japanische Urzeit-Monster retten die Vormacht der USA und die Welt vor zwei dank Radioaktivität furchtbaren und fruchtbaren Monstern, nachdem diese in etlichen Städten Massenpanik und Kollateralschäden hinterlassen haben. Der Film will mit allen technischen und psychologischen Tricks einmal mehr beweisen, dass die USA das Monopol als Weltpolizist verdient haben und die Besten sind im Inszenieren von megabösen Megamonstern, die dann in Fiktion und Realität als Vorwand für
ihre weltherrschaftlichen Gelüste und flächendeckenden Verwüstungen und Verseuchungen herhalten müssen. Ihren Krieg erklären sie zum legitimem Widerstand und als notwendig zur Erfüllung ihres edlen Auftrags für das Wohl der Menschheit.

Held, Krankenschwester und Stammhalter
Am Schluss nach der Film-Katharsis (gewaltvolle Reinigung) zieht sich der einsame Monster-Held Godzilla (bis zu seiner nächsten Rettung des US-Imperiums?) wieder in die Tiefsee zurück. Die heteronormative Kleinfamilie Brody überlebt und steht unerschütterlich in den Trümmern:
Der Vater, dessen Eltern von den radioaktiven Feindungeheuern getötet worden waren, verletzt, blut- und dreckverschmiert, die Frau, natürlich hübsch und Krankenschwester, und der kleine Stammhalter, nach überstandenem Trauma voll von Bewunderung für den Vaterhelden. Genetisch überlegen und fruchtbar (wegen der radioaktiven Strahlung? Wegen der patriotischen Gesinnung?) werden sie einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung des grossflächig kriegszerstörten gelobten Lands leisten.

©Text Damian Bugmann 2020, vorwärts Nr. 11/12


image-8093485-alien.jpg
«Cowbys and Aliens»: Widersacher der bürgerlichen Halsabschneider zu übermächtigen
Monstern stilisiert.                                                                                                  Foto: zVg

Gaudi in Klein-Hollywood

«Moskau einfach!» von Micha Lewinski über die Fichenaffäre in der Schweiz 1989/90. Technisch gut gemacht und natürlich unpolitisch - deshalb auch Eröffnungsfilm der Solothurner Filmtage 2020 - ist der Spielfilm ein sentimentales Gaudi mit skurrilen Figuren, absurden Szenen, lustigen Reminiszenzen und Anekdoten nach dem Motto: Wie blöd stellten sich die Leute damals an, dreissig Jahre später sind wir ja viel gescheiter und verträglicher. Die damalige Politszene wird modisch und lächerlich dargestellt, was sie zum Teil auch war. Weit und breit ist aber kein ernst zu nehmendes politisches Engagement auszumachen, weder ein System stützendes noch ein System ablehnendes.

Dafür überschlägt sich im hastigen Hollywood-Ende die idealisierte heteronormative Liebe, die die immensen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Widersprüche im Privaten scheinbar auflöst, die in der Realität nicht im Ge-ringsten beseitigt sind und sich bis heute zünftig vergrössert haben. Egal. Man amüsiert sich im Lichtspielsaal während hundert Minuten kollektiv und lässt sich seine bequemen bürgerlichen Vorurteile gerne bestätigen.

©Text Damian Bugmann 2020, vorwärts Nr. 10/11

+++++++++++++++++++++++++


Verniedlichung
der Verhältnisse

In Chaplins «Modern Times» (1936) wird der Traum von der bürgerlichen Familienidylle und dem sozialen und wirtschaft-lichen Aufstieg, werden die Verheerungen des Kapita-lismus liebevoll karikiert, emotional aufgeladen und verniedlicht. Vielleicht sollte man etwas netter sein mit-einander, aber am wirtschaft-lichen, sozialen und politischen System wollen wir nicht rütteln.

Charlie gerät zufällig in eine Arbeiterdemonstration und wird irrtümlich als Anführer verhaftet. Der Streik in der Fabrik ist ihm peinlich, lieber würde er sich bei der Arbeit mit dem Chef und den Maschinen amüsieren.

©Text Damian Bugmann 2018




++++++++++++++++++++

Links:        FILM + TV -2-

KALTER KRIEG
Kitschfilm Ende DDR


SPIRITUALITÄT
Ganzheitliches heidnisches Erleben und zivilisierter Glaube

++++++++++++++++++++