SPIRITUALITÄT

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Auf dieser Seite:

1. Vom ganzheitlichen Erleben zum
     zivilisierten Glauben
 
2.  Die Religion und die irdischen Mächte


3.  Forcierte Missionierung seit 9/11

Copyright Text, Fotos ausser Buswerbung und Excalibur, Layout: Damian Bugmann

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In der rechten Randspalte:

Spiritualitat:    Manifest

Artussage:     
Christianisierung und
                         Hierarchisierung


Kolumne:        Patriarchat - gibt's das bei uns
                         überhaupt noch?

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 Kontakt, Kommentar: info@damianbugmann.ch

1. Vom ganzheitlichen Erleben zum zivilisierten Glauben

 Am Anfang der Menschheit war der magische
   Schamanismus der Nomad*innen. Dann
  kamen mit dem Animismus der Ackerbauern
  Zauberei, Astrologie, Götter und Dämonen.
  Schliesslich zivilisierten die Hochreligionen.

«Die Zivilisation hat den Schamanismus unter sich
  begraben, die wilde Erde verborgen unter dem
  Mantel einer künstlichen Umwelt, angefertigt nach
  den Schnittmustern der Natur- und Rechtswissen-
  schaften, der Religion und Psychologie», stellt der
  Schamanismusforscher Carlo Zumstein treffend
  fest.

 Nomad*innen und Sesshafte
Animismus ist das Weltbild von sesshaften Bauern. Darin zaubert man Kleider, Knüppel aus dem Sack, Drachen oder Schlösser herbei. Schamanismus oder Magie, Erlebniswelt der Nomad*innen, ist einfacher, praxisbezogener und naturnaher. Schamanismus arbeitet mit Bann und Segen («Heile, heile Säge», Alpsegen, Glücksbringer Hufeisen) und Signaturen, in der Volksmedizin zum Beispiel Umschläge mit einem Ei (Stieren-auge) bei Augenschmerzen. Rituale rund um Tiermalereien in altsteinzeitlichen Höhlen hatten zum Ziel, sich mit dem Tier, das man zum Überleben erlegen musste, zu verbinden, es anzulocken.

Bekenntnis statt Erlebnis, Körper und Seele als Einheit

Bei den Tierdarstellungen spricht der Urner Arzt und Volkskundler Eduard Renner von Signaturen, beim
Ritual vom Jagdbann. «Schamanismus ist das Wissen über den heilsamen Umgang mit den Kräften der Wildnis», definiert Zumstein. «Magie» umschreibt Renner als Erlebnis und nicht als Bekenntnis. Und: «Die magische Welt ist streng unistisch, das heisst, sie erfasst Leib und Seele als Einheit.» Renner spricht auch
von der «magischen Ergriffenheit» im ganzheitlichen Schamanismus. Vom «magischen Erleben» der katholischen Urner Bergler, Hirten und Sennen des 20. Jahrhunderts erzählt er in seinem Buch. Die unisti-schen, schamanischen Nomad*innen gingen davon aus, dass Körper und Seele auch nach dem Tod
eine Einheit blieben, dass die Seele im Körper verbleibe. Deshalb bestatteten sie ihre Toten so, damit sie
sich später wieder erheben und weitergehen konnten.

Dualismus, Astrologie, Personalisierung, Polarisierung

Der Animismus (der vor allem im Polytheismus gelebt wird) der sesshaften Bauern ist dualistisch, trennt Körper und Seele. So kommt es, dass zum Beispiel die animistischen Kelten den Toten Kopf und Glieder entfernten, damit die Seele entweichen konnte. Durch die Sesshaftigkeit entwickelte sich auch eine engere Beziehung zu den Sternen, die Astrologie. Animismus reisst Himmel und Erde auseinander, personalisiert
und polarisiert: Schaman*innen verlassen die Menschen und werden zu Gött*innen in himmlischen Höhen. Animismus schafft Gut und Böse, Gött*innen und Dämon*innen,
Privilegien für Männer.

Kriege statt Kampfspiele, Privatbesitz statt Kollektivbesitz

Die patriarchale Vorherrschaft der Männer, die Beherrschung von Menschen und Tieren, brutale Kriege und Raubzüge (anstelle von rituellen Kampfspielen) sowie Grund- und Privatbesitz (anstelle von Kollektivbesitz) entwickeln sich erst unter Sesshaften im Animismus, um in den Hochreligionen (vor allem den monothe-istischen) zu grösster Blüte zu gelangen. Wenige animistische und viele magische Elemente erhielten sich
im Katholizismus.

Stolze, freie Küher, magisches Erleben und Handeln

Die Bewunderung des Philosophen und Pädagogen Jean-Jacques Rousseau für die Hirten und Sennen war keine Schwärmerei eines weltfremden Aufklärers. Im 18. Jahrhundert sei die Landwirtschaft zum grossen Missfallen der Herren von Bern markant zurückgegangen, berichtet der Historiker Sergius Golowin. Landlose Bauern hätten von der Pflege von Vieh aus dem Unterland auf gepachteten Alpen und Talwiesen zu leben begonnen. Mit der nomadischen Lebensweise hätten sie die rigide Religion hinter sich gelassen zugunsten von magischem Erleben und Handeln und einer freieren, unkonventionellen Lebensweise.

Beherrschbare Bäuer*innen und Fabrikarbeiter*innen

Die intensivere Nutzung des Bodens im 19. Jahrhundert setzte dann laut Golowin dem Dasein der stolzen, freien Küher*innen ein Ende, «die es wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung fertiggebracht hatten, mitten
im bernischen Patrizierstaat wie ein fast völlig unabhängiger Stamm zu leben.» Damit sei auch der Gedanke,
dass der Boden eigentlich allen gemeinsam gehören solle, aus dem Bewusstsein verschwunden. Fahrende wurden zu Asozialen gestempelt, Allmenden als Viehweide für Arme verschwanden. Obrigkeit und Unter-nehmer brauchten beherrschbare Bauern und Fabrikarbeiter

Zitate aus:

Eduard Renner: Goldener Ring über Uri. Ein Buch vom Erleben und Denken unserer Bergler, von Magie
und Geistern und von den ersten und letzten Dingen. 1954, Neuausgabe Ammann Verlag 1991.

Carlo Zumstein: Schamanismus. Begegnungen mit der Kraft, Diederichs 2001.

Sergius Golowin: Lustige Eidgenossen. Die phantastische Geschichte der freien Schweiz. 1972, Neuausgabe Licorne 1998.

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Zu:  PLANET

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2. Die Religion und die iridische Mächte

In Zeiten, in denen Religionen mehr Platz im öffentlichen und privaten Leben bean-
spruchen, befasst sich die Jahresendausgabe 2008 des sozialistischen «Vorwärts»
auf acht Seiten fundiert und differenziert mit dem Thema Religion.

Darin kommt selbstverständlich die atheistische Seite zu Wort. Beleuchtet wird neben den Freidenkern die parodistische «Church of the Flying Spaghetti Monster», die in den USA zwecks Bewusstsein und Solidarität gegen die christlichen Fundamentalisten und ihre expandierenden weltlichen Machtansprüche gegründet wurde. Sie nennen sich «Pastafaris» und sind mit der Gleichberechtigung von Schöpfungs- und Evolutionstheorie an US-amerikanischen Schulen öffentlich aktiv geworden.

Konflikte und Kriege

Unter den Konfessionsfreien und Freidenkern, jede/r Zehnte in der Schweiz bezeichnet sich so, hat es Atheisten (Gott existiert nicht), Agnostiker (Transzendenz ist ungewiss, aber nicht ausgeschlossen) und Pantheisten (das Göttliche lebt in allen und allem). Konfessionsfreie finden, organisierte Religionen gäben zu starre Antworten auf Fragen der Lebensführung, seien im öffentlichen Leben zu präsent und spielten
seit über 2000 Jahren weltweit in Konflikten eine problematische Rolle. Sie treten deshalb ein für eine klare Trennung von Staat und Kirchen.

Herrschaftsinstrument

«Religion ist Widerspiegelung der irdischen Mächte», lautet treffend der Titel über einem Interview aus Zitaten aus Friedrich Engels Werken, das erzählt von der Instrumentalisierung der Religion für die Herrschaft von Bürgertum und Kapitalismus. Um 1850 habe sich das Selbstbewusstsein der Arbeiter von der Religion emanzipiert, so Engels, die Bourgeois aber hätten ihren Spott der Frömmelei und ihren Materialismus fallen gelassen zugunsten eines «äusserlich frommen Wesens», um Vorbild für die proletarische Klasse zu sein und die Welt an einer Entwicklung zu Menschenwürde, Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit zu hindern.

Der politisierte Islam

Breiten Raum nehmen Darstellung und Analyse des politisierten Islam ein. Dass diese Religion einen grossen Drang zur Expansion hat, ist nicht verwunderlich, sie ist wie das Christentum ein missionierender, imperialistischer Komplex, monotheistisch und hochpatriarchal. Nach dem militärischen Sieg der christlichen Mächte in Grenada und vor Wien beendete der Westen die islamischen Weltmachtträume, verwirklichte die eigenen und degradierte stolze islamische Grossreiche (Mauren, Osmanen u.a.) zu Dritte-Welt-Ländern.

Feudalismus gegen Sozialismus

Aufgezeigt wird in der «Vorwärts»-Beilage der grosse aktive Beitrag der Briten und der USA zur Politisierung und Militarisierung von Moslems in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien und Afghanistan. Dabei ging und geht es den Westmächten darum, die feudalen Wirtschafts- und Herrschaftsverhältnisse zu stärken, damit nicht auf demokratischem Weg Menschenrechte, Einschränkungen von Wettbewerb und Profitstreben oder gar soziale Gerechtigkeit durchgesetzt werden können. Auch die Überzeichnung des Islam durch die westlichen Medien zum Ablenken von eigenen Problemen, Zuständen und wirtschaftlich-politischen Interessen wird ausgiebig dargestellt.

Religion und Sozialismus

Dass Religion und Sozialismus kein Widerspruch sein müssen, zeigen die Texte über die Theologie der Befreiung und über einen jüdischen Friedensaktivisten in Palästina. Spirituelle Alternativen zu den Religionen finden keinen Platz in der Beilage, da für sie in unserem kollektiven Bewusstsein kein Platz ist ausser als Klischees des Barbarischen oder der Geschäftemacherei.

Spiritualität und Sozialismus

Vormonotheistische und vorpatriarchalische Spiritualität aber kann heute noch entdeckt und – den Umständen angepasst - gelebt werden. Da ist das Empfinden und Erleben nicht abgeschnitten von tiefer Naturerfahrung und der Welt der Ahnen und Geister, die Sexualität nicht unterdrückt und Herrschaftsinstrument. Da gehören echte Mündigkeit, wirkliche Gleichberechtigung, also Sozialismus, und naturnahes Leben ganzheitlich dazu. Da ist Heidentum, das Miteinander statt Konkurrenz pflegt, das Macht- und Eigentumsverhältnisse ständig ausbalanciert.

Mehr Informationen:

http://blog.spaghettimonster.ch
http://www.konfessionsfrei.ch
http://www.freidenker.ch
Vorwärts Nr. 45/46 http://www.vorwaerts.ch

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3. Forcierte Missionierung seit 9/11

Die schweizerischen Landes-
  kirchen wollen Zehntausende
  von Gläubigen wiedergewinnen.
  Die von Thatcher und Reagan
  in den frühen Achtziger Jahren
  angestossene konservative
  Revolution wird auch auf der
  religiösen Ebene vorangetrieben.

Gegenmissionarische Buswerbung.
Foto: frei-denken.ch

Pfarrer und Bischöfe verteidigen in
  den Medien Papst Joseph Aloisius
   «Benedikt» Ratzingers repressive Sexualmoral und verbreiten ihre weltfremden Theorien, zum Beispiel Präservative würden Ehebruch und Prostitution fördern. In Frankreich werden katholische Priester aus Afrika importiert, um die Religion den Schafen mit Rhythmus, Musik und Exotik besser verkaufen zu können- in Afrika hat die katholische Kirche
im Gegensatz zu Europa wachsende Mitgliederzahlen.

Grossplakate und Buswerbung

Seit 9/11 hat sich die bereits in den Neunzigern angelaufene Missionskampagne massiv verstärkt. Gross-plakate und Buswerbung mit frommen gelben Sprüchen auf dunkelblauem Grund bilden das Flaggschiff der Siebenjahres-Kampagne der «Agentur C» zur Verbreitung des christlichen Glaubens in Europa. In Genf rufen die Landeskirchen auf städtischen Verkehrsmitteln zur Bezahlung der Kirchensteuer auf, in Basel fährt ein ganzes «Credo»-Tram – das lateinische Wort heisst übersetzt «ich glaube».

Handküsse für Hochwürden

Noch nicht so extrem wie in manchen islamischen Ländern, aber penetrant genug, drängen die Kirchen in
die Öffentlichkeit und ins Privatleben der Bevölkerung. Als Belästigung empfindet die Freidenker-Vereinigung Schweiz diese forcierte Missionstätigkeit und beruft sich auf Trennung von Kirche und Staat, auf Glaubens-freiheit, Verfassung und Menschenrechte. Die Vereinigung richtet sich etwa dagegen, dass sich Politiker mit Handküssen und anderem an kirchliche Würdenträger anbiedern und gegen die geplante Volksinitiative zur Einführung der biblischen Schöpfungsgeschichte im Biologieunterricht.

«Geniesse das Leben»

«Es gibt wahrscheinlich keinen Gott – sorge dich nicht und geniesse das Leben», so der übersetzte Text einer Buswerbung in England, Spanien und Australien, ist Motto der Organisation «Geniess das Leben». Sie in-formiert über die christlichen Kampagnen, organisiert und koordiniert den Widerstand dagegen. In der Stadt St. Gallen wird mittlerweile keine religiöse Werbung in Fahrzeugen der Verkehrsbetriebe mehr zugelassen.

Selbstbestimmungsrechte

Aber auch auf der islamischen Seite tut sich etwas: Kürzlich hat sich der Zentralrat der Ex-Muslime Schweiz konstituiert. Auch diese Organisation beruft sich auf Religions- und Meinungsfreiheit. Und darüber hinaus spielt sie mit der Parole «Wir haben abgeschworen!» an auf die «Wir haben abgetrieben!»-Kampagne der Frauenbewegung der Siebziger Jahre. Auch heute gelte es, steht auf der Webseite, die Selbstbestimmungs-rechte zu erkämpfen: «Wie damals, so stehen auch heute auf der Gegenseite religiöse Kräfte, die meinen,
im Besitz ewig gültiger, heiliger Wahrheiten’ zu sein.»

Nicht zuviel Aufmerksamkeit

Ich denke, es ist wichtig, dass die Citoyens und Citoyennes nicht in Vereinzelung sprach- und tatenlos zusehen, sondern sich zusammentun und ihre Stimme angemessen erheben. Zuviel Aufmerksamkeit aber haben die Missionseiferer nicht verdient, dadurch können sie gestärkt werden.

Mehr Informationen:

http://www.frei-denken.ch/
http://www.ex-muslime.ch/
Vorwärts Nr. 11/12, vorwaerts.ch

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Standard-Werk vorpatriarchale Gesellschaften:
Carola Meier-Seethaler: Ursprünge und Befreiungen, eine dissidente Kulturtheorie, opus magnum 2011

Links:        -  Er ist nur die Spitze des Eisbergs:   Fritzl

                   - Bekannter ptriarchaler Mythos neu erzählt: Zack und Jocki
                                                                  GESCHICHTEN 3

 ©  alle Fotos diese Seite ausser Buswerbung und Excalibur: Damian Bugmann

Manifest

1. Spiritualität ist nicht dazu da, das Individuum oder die Firma für den verschärften Wettbewerb
fit zu machen.


2. Spiritualität ist kein Ego- oder Konsumtrip.


3. Spiritualität lebt von Austausch und Gemeinschaft und der Beschäftigung mit den Lebewesen, Energien und realen Bedingungen.


4. Spiritualität bedeutet gleiche Rechte, Selbstbestimmung und Selbstverwaltung.

Religion bedeutet Rechthaberei, Bevormundung, Eroberung, Hierarchie und Konkurrenz.

5. Spiritualität soll und kann persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen ausbalancieren.


6. Spiritualität ist gelebter, ganzheitlicher Kommunismus.

© Damian Bugmann 2017

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Christianisierung, Hierarchisierung

Die Artussage geistert immer wieder durch unsere Köpfe und über die TV-Bildschirme – ein gutes Beispiel, wie die
christlich-patriarchalische Herrschaft die ausgeglichene heidnische Erlebniswelt dämonisiert und bekämpft hat.

«Excalibur» ist der Name des zauberkräftigen Schwerts der frühmittelalterlichen britischen
Königinnen und Könige und der Titel eines Films von John Boor- man aus dem Jahr 1981 nach der Artussage. Dort werden, gemäss der christlichen Überformung der keltischen Sage und der damaligen Gesellschaft, die heidnischen Figuren Morgane, Mordred und teilweise auch König Uther Pendragon (Vater von Artus und Morgane) zu egoistischen, macht-gierigen und brutalen Subjekten gemacht, die christlichen zu edlen Wohltätern der Menschheit, deren grausame Massaker einem höheren Ziel dienen. Merlin und Artus (engl. Arthur) hingegen sind relativ differenziert gezeichnet.


Christliche Ritter und Jungfrauen im
Film „Excalibur“. Foto: dandalf.com


Lichtgestalten sind Kampfsäue

Die Ritter der Tafelrunde sind im Film gemäss der christlichen Propaganda Lichtgestalten im Kampf für Ritterlichkeit und Moral, allen voran Lancelot. Dabei sieht es eher so aus, dass sie die Anführer von schlagkräftigen Elitetruppen waren, die überall dort auf den britischen Inseln einfuhren, wo die weltanschaulichen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen des Königshauses und ihrer Verbündeten verletzt oder in Frage gestellt wurden.

Machtkampf statt Integration

In der keltischen Tradition waren die Königin oder der König mehr spirituelle als weltliche Figuren in einer weniger hierarchisierten,
dezentralen Gesellschaft und für Ausgleich und Verständigung engagiert. Artus wurde König in einem zentralisierten weltlichen Reich nach dem Vorbild der früheren, zuletzt christlichen, römischen Kolonialverwalter, das auf die Schlagkraft und Repression seiner Truppen baute und Partikularinteressen von Eliten durchsetzte.

Verdrängung der Frauen
aus der Öffentlichkeit

Artus’ Schwester Morgane war eine geachtete Priesterin, Heilerin und die legitime Thronfolgerin. Sie repräsentierte die auf Ausgleich
der Kräfte und der Geschlechter bedachte Naturreligion und exponierte sich als Frau im erstar-kenden Patriarchat in religiösen und weltlichen Fragen anstatt sich auf Keuschheit und häusliche Aufgaben zurückzuziehen. So wird sie in der christlichen Perspektive zur fürchterlichen Hexe mit dem krankhaften Ehrgeiz, ihren Sohn Mordred anstelle von Artus auf den Thron zu putschen. Er war der Sohn ihres Bruders Artus. Dieser Inzest war in den Augen der Christen eine grosse Sünde und Schande (nur für die Frau!), die gerade recht kam, um Artus als christlich-patriarchalen König zu installieren und Morgane und ihrem/seinem Sohn den Platz zu verweigern.

Inzest und Initiation

Inzestuöse Verbindungen aber waren im alten Armorica laut dem Mythenforscher Jacques Brosse nicht dämonisiert, sie kamen vor,
meist in derselben Generation, und waren weder Frevel noch Sünde noch patriarchale Ausbeutung, sondern ganzheitlich institutiona-lisiert und ritualisiert zur sexuellen Initiation und für andere spirituelle Zwecke. Diese Unterscheidung ist nicht neu, aber für viele unge-wohnt; eine gut ausbalancierte und übersichtliche Gesellschaft können sich die meisten Angehörigen der heutigen patriarchalen Gesellschaft
mit ihren versteckten und ge-schönten Machtmechanismen und Exzessen schlecht vorstellen.

Mehr über vorchristliche Spiritualität in Europa:
Jacques Brosse: Mythologie der Bäume, Patmos Verlag, 308 S.

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Patriarchat - Gibt's das bei uns überhaupt noch?

Neandertaler, Germanen und Moslems werden als finstere Machos dargestellt, die west-liche Gesellschaft dagegen als weitgehend patriarchats freier Raum. Dabei werden eigene Patriarchatsprobleme ignoriert und individualisiert.

Machos, Kinderschänder und Frauenzüchtiger betrachtet die bürgerliche Ideologie als Ausländer oder als charakterschwache, geistesgestörte einheimische Einzelfälle. Das ernst zu nehmende gesellschaftliche Problem wird privatisiert und auf andere abge-schoben, die man als minderwertig betrachtet.

Projizieren und ignorieren

TV-Dokumentationen mit anschau-lichen Spielfilmsequenzen behaup-ten breitbeinig wider besseres Wis-sen der Ethnologie und Archäo-logie, die Neandertaler seien streng patrilinear und patriarchal organi-siert gewesen. Archäologiesen-dungen ignorieren Darstellungen und Symbole der weiblichen Ein-flüsse auf das öffentliche Leben und projizieren patriarchale Struk-turen in matrizentrische Gesell-schaftsordnungen. Je älter die Kultur, desto barbarischer und patriarchalischer soll sie gewesen sein.

Griechen, Römer und Faschisten barbarisierten die Kelten und Ger-manen, die eine feinere, sanftere und differenziertere Spiritualität hatten als sie selbst – und effektiv mehr matrizentrische Elemente beibehielten.

Teile und herrsche

Weibliche spirituelle Figuren und das Mysterium der Geburt standen im Zentrum des gesellschaftlichen und spirituellen Lebens der matrizentrischen Gesellschaften. Sexuell und spirituell, wirtschaftlich und sozial waren die Geschlechter frei und gleichberechtigt, die Be-reiche gehörten ganzheitlich zu-sammen. Wo die Männer männ-liche Gottheiten erhöhen, die Frauen aus wichtigen kultischen Funktionen verdrängen und zu Tempelhuren degradieren, hat die patriarchalische Teile-und-herrsche-Trennung bereits stattgefunden.

Einzelkämpfer und Gewalt

Wo Männer Frauen und andere Menschengruppen, die Dritte Welt und die Natur zu Macht- und Profitzwecken instrumentalisieren, ist Patriarchat. Ebenfalls da, wo das männliche Sexualorgan zum Erziehungs- und Gewaltorgan gemacht wird: Handfest in der Unterdrückung der Selbst-bestimmung der Sexualpartner und in ihrer Bestrafung mit schmerz-haftem Sex; symbolisch in der Verlängerung des Geschlechts in Repression, Folterwerkzeug, Handfeuerwaffe, Bombe, Rakete usw. Patriarchat ist da, wo der Hollywood-Einzelkämpfer auf-
bricht zu neuen Ufern und sein
Ziel gegen alle Widersacher mit
viel Gewalt und unter Missachtung der Regeln erreicht. Dabei geht es immer um egoistische Ziele wie Bereicherung, Vorteile und Privi-legien, Ausbeutung undHerrschaft.

Kampf, Konkurrenz, Geld

Der gesellschaftlich integrierte moderne Mann tut dasselbe: Hetzt gedopt, Handy am Ohr, von einem Superprojekt zum anderen ohne Rücksicht auf seine Gesundheit, dazu kommen noch aktiver Freizeitstress und die Befriedigung kleiner und grosser Laster als Kompensation.

Wichtige Eigenschaft des Patriarchen ist, dass er in den Krieg zieht, in den Kampf um einen Platz in der Arbeitswelt, um Markt-anteile, Einschaltquoten, Beute. Die Familie und die aufopfernde Frau idealisiert er, kokettiert damit, im Grund ein Familienmensch zu sein und beteuert routinemässig an den Eröffnungsfeiern seiner Projekte: «Hätte nicht meine Frau meine langen Abwesenheiten erduldet und mich gestützt, hätte ich das grossartige Projekt nicht
vollenden können.»

Vereinzelung und Gewinnorientierung

Heilig ist heute die Unternehmung, die oft als Familie bezeichnet wird und einseitigen Gewinninteressen dient. Die scheinheilig geheiligte Familie ist längst tot, zerrissen durch die auseinander strebenden Interessen der vereinzelten Kämpferinnen und Kämpfer im verschärften kapitalistisch-patriarchalischen Wettbewerb.

Emotionen, Geld, Gewalt

Die Zweigenerationen-Kleinfamilie wird durch die Rollenfixierungen meist emotional überfrachtet, oft entsteht Gewalt, mässigende Einflüsse und Unterstützung von Grosseltern, Onkeln und Tanten fallen weg. Die Ehefrau ist die Tankstation für den grossen Kämpfer und den Kämpfernach-wuchs und muss in der Familie wichtige logistische, psycho-logische und gegenüber dem Mann sexuelle Funktionen über-nehmen. Ist genug Geld da, kann sie einen Teil der Arbeit an Externe wie Seelenklempner, Putz- und Kinderhütepersonal delegieren. Ist wenig Geld da, muss sie zusätzlich arbeiten gehen und die Kinder min-destens teilweise vernachlässigen.

Schönes neues Patriarchat

Ein paar Frauen schaffen es, in Männerdomänen einzudringen und in der Machowelt mitzuhalten. Die männliche Elite beweist damit ihre Offenheit und Toleranz, die tüchtigen Frauen gehören dazu, fühlen sich gleichberechtigt, wer-den bewundert und angefeindet. Sie finden eine individuelle Lösung für ein gesellschaftliches Problem, das bestehen bleibt. Der Westen lehnt die alten Formen des Patriar-chats ab und schafft neue, die dem Kapitalismus dienen und den Schein von Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung verbreiten.

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