TIERE

September 2020

Calandawolf 2018.                                           Foto: Charly Gurt

Jagd auf Steinbock und Wolf

Die radikale Revision des eidgenössischen Jagd- und Schutzgesetzes soll es erlauben, geschützte Tierarten abzuschiessen, bevor sie Schaden angerichtet haben. Naturschutz-verbände haben das Referendum ergriffen, deshalb kommt das Gesetz am 27. September zur Abstimmung.

Lautstark und emotional werden Abschüsse gefordert von politisch gut organisierten Jägern
und Schafhaltern im Alpenraum, die ein Bild der Grossraubtiere aus dem 19. Jahrhundert
pflegen und die in ihrem Gebiet kein Wildtiermonitoring haben und gar keines wollen. Wildtiere, die in Konflikt kommen mit ihren Interessen, werden als ausländische Kriminelle gesehen, die
an ihren Platz gestellt werden müssen. Wölfe werden nach Actionfilmschema als dumpfe, aggressive Tötungsmaschinen halluziniert, die die Tourist*innen in Angst und Schrecken versetzen, sie vertreiben und die alles Wild, dann die Nutztiere, schliesslich die Menschen auffressen und ausrotten, wenn man sie nicht zeitig niederschiesst. Eine verheerend irratio-
nale Haltung, zu finden auch in der xenophoben Panik der Begrenzungs- respektive Kündigungsinitiative, die eine Verdrängung und Benachteiligung der Schweizer*innen durch vermeintliche Masseneinwanderung behauptet.

Abschuss ist kontraproduktiv

Die letzte SRF-«Netz Natur»-Sendung gab einen breiten Einblick in die Lebensweise der Wölfe, des Wilds und der Schaf- und Ziegenherden im Alpenraum. Das Nahrungsangebot der «Wild-nis» ist gross genug für die Bedürfnisse der Grossraubtiere Wolf, Luchs, Bär und Mensch. Die Sendung zeigte auch, dass Wölfe das Wild gut über die Lebensräume verteilen, damit Wild-verbiss vermindern und die Artenvielfalt fördern. Werden sie dezimiert, wandern sofort neue Wolfsgruppen ein, die sich schneller vermehren. Abschuss ist also kontraproduktiv. Der Bundesrat hingegen ist der Auffassung, die angepeilte Regelung werde bewirken, dass Wölfe
die Scheu vor Menschen und Siedlungen bewahren, dass weniger Schäden an Schafen und Ziegen entstehen und die Zahl der Konflikte abnimmt.

Steinbock und Wolf sollen als erste drankommen

Das neue Gesetz erlaubt es, unliebsame bedrohte Tierarten zu töten, noch bevor sie Schaden angerichtet haben. Allein ihre Präsenz reicht aus, um sie dezimieren zu dürfen. Beschönigend wird von «Regulation» gesprochen. Früher war es der Bund, der den Abschuss bundesrechtlich geschützter Tiere genehmigen musste, nachdem sie Schaden angerichtet hatten. In Zukunft sollen die Kantone über solche Abschüsse entscheiden dürfen. Die Liste der geschützten Tiere, die mit dem neuen Gesetz geschossen werden können (aktuell Steinbock und Wolf), kann der Bundesrat in eigener Kompetenz erweitern - ohne Parlamentsbeschluss oder Volksabstimmung.
Beim Steinbock ist es so, dass er nicht mehr unmittelbar vom Aussterben bedroht ist. Deshalb will man offenbar in den Kantonen das Trophäengeschäft mit reichen Jagdtouristen mit einer lockereren Regelung beleben.

Bald auch Biber und Graureiher

Die parlamentarische Debatte zum Jagdgesetz zeigte, wie viele weitere geschützte Tierarten betroffen sein dürften: Biber, Fischotter, Luchs, Graureiher und Gänsesäger sind ebenfalls abschussgefährdet. Bund und Naturschutzverbände können gegen eine kantonale Abschussverfügung wie bisher Beschwerde einlegen.

Mehr Druck auf Wildtiere

Jagdgesetz-nein.ch über das zur Abstimmung stehende Gesetz: «Eine als moderate Teilre-
vision gestartete Gesetzesarbeit gefährdet nach der ungenügenden Arbeit des Parlaments
den Artenschutz als Ganzes und hat zu einem unausgewogenen Resultat geführt. Die Natur, geschützte Säugetiere und Vögel sowie der Tierschutz kommen noch mehr unter Druck. Die Gesetzesrevision des eidgenössischen Jagd- und Schutzgesetzes schiesst weit über das ursprüngliche Ziel des pragmatischen Umgangs mit dem Wolf hinaus.»

©Text Damian Bugmann 2020, vorwärts Nr. 29/30.20

ODILO Schiesstdenwolf und THOMAS Macht-dasgeschäft gehen in den WALD

O.: Diese Scheisswölfe fressen uns das Wild und
das Vieh weg.


T.: Und vertreiben uns die Touristen.


O.: Und wenn wir sie machen lassen, bekommen sie richtig Mut und Appetit, dann über-fallen sie uns in unseren Häusern, schänden unsere Frauen und fressen unsere Kinder.


T.: Das ist unser Wild, unser Wald, unser Touristenparadies, unser Geschäft, unser Zuhau-se, das sind unsere Frauen und Kinder.


O.: Und das sind verdammte Ausländer, kriminelle Asylan-ten, die nachts heimlich von Frankreich und Italien über die Grenze kommen. Wir müssen uns wehren, sonst vertreiben diese Ausländer alle Leute
aus unserem Tal.


T.: Hast du das Gewehr dabei? Also hopp!



O.: Komm Rex, es gibt was zum Beissen.

©Text Damian Bugmann 2016

(mit Aussagen aus Nach-richtenmedien von Politikern, Jägern und Schafhaltern)

WWF Schweiz:

«Seit der Rückkehr des Wolfs in die Schweiz gab es keinen einzigen Übergriff eines Wolfs auf einen Menschen. Der Wolf ist sehr menschenscheu. Dagegen werden jedes Jahr 9500 Menschen von Hunden gebissen.»

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